Wer hat eigentlich die Taschenuhr erfunden?
Taschenuhren kommen um 1500 auf
Um die Schöpfung der ersten tragbaren Uhren ranken sich zahlreiche Legenden. Noch im 15. Jahrhundert kennt man die Zeitmessung ausschliesslich von Grossuhren, wie sie z. B. an Kirchtürmen und Rathäusern vorkommen. Sie arbeiten mit Gewichten und die sogenannte Waag reguliert den Gang. Diese Uhren können nur in einer Lage die Zeit anzeigen, d. h., sie sind im Prinzip unbeweglich. Alle Tüftler, die tragbare Uhren entwickeln wollen, scheitern – bis die Federuhren aufkommen. Der Erfinder des Federantriebs ist unbekannt, allerdings stammt er vermutlich aus dem Schlosserhandwerk. Die Geschichte der Uhren kann den Federantrieb seit etwa 1410 nachweisen. Noch sind sie zu gross, als dass man sie mit sich führen könnte. Aber um 1500 herum erscheinen die ersten Taschenuhren, und zwar in Frankreich und in einigen oberdeutschen Städten (also in Süddeutschland). Natürlich verfügen nur der Adel und das wohlhabende Bürgertum der Städte über ausreichende finanzielle Ressourcen, um sich ein solches Statussymbol leisten zu können. Die Zeitanzeige ist noch recht primitiv: Die Taschenuhren haben nur Stundenzeiger und gelten als relativ ungenau.
Peter Henlein – Legende und Wahrheit
Henlein gilt der Sage nach als der Erfinder der Taschenuhr – aber stimmt das? Die Forschung hat bisher relativ wenig über diesen Peter Henlein herausgefunden. Fest steht, dass er ca. 1840 in Nürnberg geboren wird und sein Vater Messerschmied ist. In Dokumenten von 1504 wird er im Zusammenhang mit einem Totschlag erwähnt, Jahre später muss er eine sogenannte Söhnungssumme an die Hinterbliebenen zahlen. Dennoch steigt er zu einem angesehenen Bürger auf, dessen Kenntnisse um die Uhrmacherkunst und die Mechanik einige Berühmtheit erlangen. Beim Bau der Taschenuhren muss er zahlreiche Hürden überwinden, bis ihm tragbare und nützliche Ergebnisse gelingen. Nürnberg ist zu dieser Zeit ein Knotenpunkt europäischer Handelswege und ein Zentrum der Feinmechanik. ⬈ Wikipedia
Der Mythos – eine Kopfgeburt des 19. Jahrhunderts
So wenig man auch über Peter Henlein weiss, so stark sind die patriotischen Legenden, die für ihn erdacht wurden. Nachdem er lange Zeit vergessen war, erinnert man sich im 19. Jahrhundert an ihn. In dieser Zeit gewinnt der Nationalstaatsgedanke an Bedeutung – während Deutschland ein Sammelsurium von kleinen Königreichen und Fürstentümern ist. In Ermangelung einer stolzen Nation besinnt man sich auf die Dichter, Philosophen, Politiker und Erfinder der Vergangenheit, um dem Streben nach einem vereinten Deutschland eine Legitimation und eine Grundlage zu geben. Der Ruhm, den Goethe, Schiller, Friedrich der Grosse und auch Henlein teilen, ist aus heutiger Sicht fragwürdig: Der Stolz der Nation ist wichtiger als ethische Fragen, die Legenden um die Helden der Geschichte entscheidender als historische Fakten. Im Jahre 1839 publiziert der romantische Schriftsteller Karl Spindler eine Novelle, die um Henlein kreist und ihn als Erfinder der Taschenuhr preist. Spindler stellt sich Henlein als Erfinder des sogenannten Nürnberger Eis vor, einer Taschenuhr also, die nachweislich erst nach dem Ableben Henleins entwickelt wurde.
Die angeblich älteste erhaltene Taschenuhr als Konstrukt des Historismus
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg galt lange Zeit als der Standort mit der ältesten erhaltenen Taschenuhr. Forscher mussten diese Einschätzung revidieren. Die fragliche Uhr wird zwar Henlein zugeschrieben und sie wurde tatsächlich im 16. Jahrhundert angefertigt. Aber sie wurde auch im 19. Jahrhundert umgearbeitet. Diese Umarbeitungen sind sogar so weitreichend, dass die Uhr überhaupt nicht mehr funktionsfähig war. Die Inschrift, die die Uhr als Henlein-Schöpfung ausweist, ist ebenfalls gefälscht. Nun gilt die sogenannte Melanchthon-Uhr von 1530 als älteste erhaltene Taschenuhr der Welt. Sie ist deutlich einheitlicher gebaut, sodass spätere Umarbeitungen unwahrscheinlich sind. Diese Taschenuhr gehörte dem Reformator Philipp Melanchthon und wird in Baltimore aufbewahrt. Man geht davon aus, dass der Stadtrat von Nürnberg solche Taschenuhren von Henlein kaufte und verschenkte.
» Germanisches Nationalmuseum (GNM)